Auf der Grenze der Gattungen

1-MCD-C-97/6


Frank Baquet bezieht in seiner Arbeit eine Grenzposition zwischen Fotografie und Malerei/Grafik. Wer um die Technik dieser schwarz-weißen und farbigen Bilder nicht weiß, wird im ersten Eindruck meinen, es mit Malerei und Zeichnung zu tun zu haben. Man findet informelle Gesten, grafische Architektur- und Landschaftsdetails, das alles in klassischen Kompositionen arrangiert. Ein großes Farbbild hat durch Verwischungen Effekte wie – eben – verwaschenes Aquarell.

Was den Effekt und die Aura von Malerei hat, ist indes technisch Fotografie. Baquet hat einen Blick entwickelt für die Ästhetik transparenter Flächen, die er im öffentlichen Raum findet – Glasscheiben an Buswartehäuschen und ähnliches, die mit Plakat- und Kleberesten, Schriftzügen und Kratzspuren besetzt sind. Mit dem Objektiv nimmt er auf und fokussiert dabei so, daß beide Seiten des Glases und dahinter die Landschaft, die Gebäude, verschiedene Ebenen gleichzeitig sichtbar werden, die zu einer Bild-Ebene verschmelzen.

Zu den technischen Kniffen gehören das Schwarz-Weiß-Kopieren von Farb-Dias bzw. Entwickeln von Farbnegativfilmen im Diaprozeß, beides bewirkt eine Helligkeits- beziehungsweise Farbverfälschung. Der dritte Schritt ist der Zoom aufs Großformat. Bildaufbau und Motivik erinnern an Malerei, stellte ein Kritiker fest, aber das Spiel mit der Bildschärfe, mit der fein abgestuften Tiefe der Schärfeebenen sei eindeutig fotografisch. Doch die Entscheidung, ob das Fotografische oder das Malerische überwiegt, muß nicht getroffen werden: Es ist gerade eine Qualität, daß Baquet mit den Gattungen spielt, die Dinge im Fluß hält.

Durch die Transparenz und die Durchdringung der wie Folien überlagerten Unschärfe- und Schärfeebenen entsteht Räumlichkeit, das ist Baquet ein entscheidendes Anliegen. Nicht der leere, sondern der verbindende Raum zwischen den Dingen wird sichtbar, so Künstlerkollege Masoud Sadedin, die Bilder enthalten damit eine Realität, die mit bloßen Augen nicht zu sehen ist.

Durch die Tendenz zur Abstraktion, in den architektonisch-geometrischen Arbeiten bereits angelegt, stärker in den farbigen Werken, wird der Raum aber noch auf einer übertragenen Ebene definiert – als Empfindungsraum. Der andere Blick, der gezielte Blick des Künstlers ist nicht objektive Darstellung, sondern individuelles Gestalten und subjektives Empfinden. Das Zufällige, Beiläufige und Banale, das Baquet auswählt und auf seine Weise inszeniert, lädt er mit Bedeutung und Gefühl auf. Baquet zeigt, daß Abstraktion nicht das genuine Feld der Malerei sein muß, sondern daß Abstraktion auch der Fotografie möglich ist.

Das ist eine seltene, zur Zeit kaum vorhandene Position in der Kunstszene. Ganz wenige Künstler-Fotografen arbeiten malerisch. Baquets Arbeiten sind sehr eigenständige, autonome Bilder, die neue Räume – schöne wie vielleicht fragwürdige – eröffnen.

Zur Eröffnung der Ausstellung in der Redaktion des
Kölner Stadt-Anzeigers, Siegburg, im Mai 1999
von Jürgen Röhrig